6. HEF: Inklusion- Jetzt erst recht!
Am Samstag, den 23. Oktober 2010 fand das 6. Hessische Elternforum in der Friedrich-Ebert-Schule (FES) in Schwalbach am Taunus statt.
Die FES ist eine integrierte Gesamtschule mit rund 500 Schülern. Die Schule beschreibt sich als „Schule mit Atmosphäre“ – jeder der beim 6. HEF dabei war, konnte das spüren.
Der Schulleiter Herr Müller-Lichtenheld hat die Gäste an diesem Samstag begrüßt und herzlich aufgenommen. Integration wird in dieser Schule bereits gelebt, wie auch das Zusatzangebot des Intensivklassenkonzepts zeigt.
Die FES bietet eine ausgeprägte Schulsozialarbeit, z. B. mit 1 Stunde „Soziales Lernen“ ab Klasse 5. Wie man Konflikte bereits frühzeitig entgegenwirkt und lösen kann, lernen die Schüler als Streitschlichter in der Schülermediation. Und „Mika“, der Schulhund sorgt für stressfreies Lernen.
Ein großes Dankeschön gebührt den Schülerinnen und Schülern, die nicht nur hervorragend gekocht haben, sondern auch mit einem tollen und freundlichen Service verwöhnt haben – und das in den Ferien!
Weitere Informationen zum Schulkonzept und den Schulangeboten finden Sie auf der Webseite der FES.
Die UN-Behindertenkonvention ist im März 2009 in Kraft getreten. Sie gewährt behinderten Schülerinnen und Schülern einen Anspruch auf inklusive Beschulung. Mit deren Umsetzung verbinden sich Hoffnungen, aber auch Ängste. Hoffnung der Betroffenen auf Teilhabe am Regelschulbesuch ohne Barrieren, Ängste der nicht-betroffenen Eltern, das eigene Kind könnte zu kurz kommen.
Die Schulen und der Schulalltag sind von einem inklusiven Gedanken noch weit entfernt. Auch die Gesellschaft muss sich wandeln und Inklusion zu einem festen Bestandteil des Alltags werden lassen.
Das 6. Hessische Elternforum beschäftigte sich mit dem Thema „Inklusion – Jetzt erst recht!“.
Heike Bickel, ehemals stellvertretende Vorsitzende des Landeselternbeirats von Hessen, hat das 6. HEF mitorganisiert und stellvertretend für die Vorsitzende, Frau Geis, die Eröffnung des Elternforums übernommen.
Sie weist in ihrer Eröffnung darauf hin, dass sich Schule an den Bedürfnissen des einzelnen Schülers anpassen und ihn mit seinen Stärken und Schwächen fördern muss.
Wir freuen uns, dass die hessische Kultusministerin, Frau Dorothea Henzler die Schirmherrschaft für das 6. Hessische Elternforum übernommen hat.
Phillip Engel, Moderator des Hessischen Rundfunks begleitete und moderierte das 6. Hessische Elternforum in seiner bekannt fröhlichen Art, so dass man manchmal zweifeln konnte, ob man den nächsten Vortrag hören möchte oder ob Hr. Engel nicht einfach noch ein bisschen weiter moderiert.
Simultan wurden die Vorträge, die Moderation und auch die Theater-Aufführungen von zwei Gebärdendolmetscherinnen übersetzt. Damit war es auch unseren gehörlosen Gästen möglich, diesen spannenden Tag mit zu erleben. Herzlichen Dank an Frau Orlowski und Frau Schmallenbach für die Übersetzung, die für uns „Hörende“ faszinierend anzuschauen war.
Tim Huß, Vorsitzender der Landesschülervertretung, hat sich bereits zu seiner Wahl in die Landesschulvertretung, intensiv mit dem Thema „Inklusion“ beschäftigt. Er fordert, dass unser Schulsystem Schülergerecht gestaltet wird. Die Landesschülervertretung (LSV) hat hierzu ein Zukunftsplan entworfen, dieser ist auf der Webseite der LSV zu finden.
Herr Bognar, Ministerialrat des Hessischen Kultusministeriums konnte leider nicht beim HEF dabei sein, da seine Anwesenheit in der gleichzeitig stattfindenden Kultusministerkonferenz erforderlich war. Für ihn kam Herr Thomas Burger vom Staatlichen Schulamt in Kassel. Herr Burger berichtet von Versuchsschulen in Kassel, die integrativ unterrichten und somit erste Schritte in die richtige Richtung gegangen sind.
Das „Fast Forward Theatre“ setzte verschiedene Impulse der Gäste zum Thema Inklusion in gewohnt faszinierender Spontan-Inszenierung um. Auf Zuruf von Stichworten wurden Szenen aus dem Kultusministerium, dem Schulhof oder dem Lehrerzimmer prägnant und treffend in Szenen umgesetzt.
Welche angemessenen Vorkehrungen der UN-Behindertenkonvention in der Schule notwendig sind, brachte Prof. Dr. Katzenbach mit seinem gleichnamigen Vortrag auf den Punkt. Prof. Dr. Katzenbach ist Professor für Lern- und Geistigbehindertenpädagogik an der Goethe-Universität in Frankfurt. Er erläuterte, welche Rahmenbedingungen zur Umsetzung notwendig sind. Provozierte leicht mit der Aussage „Inklusion und der Hang zum Sortieren“, zeigte aber auch Möglichkeiten wie man etwas ändern kann und welche Perspektiven zu erwarten sind.
Einen spannenden und kurzweiligen Vortrag gab es nach einer kleinen Kaffeepause von Prof. Dr. Matthias von Saldern – Erziehungswissenschaftler an der Leuphana-Universität in Lüneburg. Sein Vortrag „Heterogenität in der Schule – Was müssen Eltern darüber wissen“, zeigte deutlich, welche Denkfehler in unserem Schulsystem gemacht werden. Gleichheit hat in der Schule nichts zu suchen – aber Chancengleichheit! Fördern und Fordern müssen gleichzeitig gedacht werden.
Eine Kernaussage seines Vortrages lautet: Schüler müssen nicht inkludiert werden – alle bleiben einfach zusammen!
Damit ist kurz gesagt, was in den Köpfen der Schülerinnen und Schüler, Lehrkräften, Eltern und der Gesellschaft noch Raum greifen muss. Niemand muss in eine Gruppe inkludiert werden, wenn nicht bereits vorher ausgesondert werden würde.
In der Mittagspause konnten sich die Gäste in der Mensa der Schule verpflegen. Unter der Leitung von Frau Meinke und Frau Borner sorgten die Schülerinnen und Schüler für ein leckeres Essen und das Wohl der Gäste. Herzlichen Dank an dieser Stelle. Nach der Mittagspause konnte man sich in vier Foren intensiv mit Teilfragen der Inklusion beschäftigen.
Forum I beschäftigte sich mit der Frage
Wie kann Inklusion in der Grundschule umgesetzt werden?
Unter der Leitung von Frau Heike Schley, Schulleiterin der Römerstadtschule in Frankfurt wurde über diese Frage diskutiert.
Im Forum II klärte Rupert von Plottnitz, Staatsminister a. D. Eltern über Rechte auf. Das Forum stand unter dem Titel „Das Recht auf inklusive Bildung. Welche Möglichkeiten haben Eltern?“
Frau Sybille Hausmanns, Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft „Gemeinsam leben- gemeinsam lernen“vergegenwärtigte im Forum III welche „Angemessenen Vorkehrungen im Regelschulsystem“ notwendig und umsetzbar sind.
Das Forum IV wurde vom Team der Wollenbergschule geleitet und zeigte am Beispiel der Wollenbergschule in Wetter, wie der Weg zur Inklusion in einer Integrierten Gesamtschule funktionieren kann. Unter dem Titel „Die Wollenbergschule auf dem Weg zur Inklusion“ berichteten Gesche Herrler-Heycke, Stefan Düppers und Hr. Wiesenfeld.
Nach einer kurzen Kaffeepause mit selbstgebackenem Kuchen ging es in der Aula der FES mit einer weiteren Einlage des Fast Forward Theaters weiter. In der Pause wurden Sätze auf Zettel geschrieben, die die Gäste besonders beeindruckt haben. In mehreren kleinen Szenen wurden diese umgesetzt und verdeutlichten die Problematik zwischen Vorstellungen der Schüler und Eltern und den Hürden durch Behörden und Vorschriften.
Frau Dr. Irmgard Schnell, Erziehungswissenschaftlerin an der Goethe-Universität in Frankfurt beginnt ihren Vortrag „Inclusive education – Anforderungen an Schule und Unterricht“ mit einer sehr nachdenklichen und beeindruckenden Geschichte über die Sonne.
Diese kurze Plauderei aus der Schule sagt viel über die Voraussetzungen eines alle Kinder einbeziehenden, inklusiven Unterrichts. Frau Dr. Schnell macht in ihrem Vortrag nochmal deutlich, wie notwendig Inklusion ist. Ihre Anmerkungen zur „Sonderpädagogischen Förderung in Hessen“ regen an, über deren Sinn nachzudenken. An Hand von Beispielen verdeutlicht Dr. Schnell die Bedeutung von Erziehung und Bildung im Sinne von „Inclusive education“. Inclusive education ist der Motor einer längst überfälligen Unterrichtsreform.
Phillip Engel lässt alle Workshop-Referenten zum Ende des Tages kurz über ihren Workshop und den Erfahrungen berichten. Mit einem herzlichen Dankeschön an die Schülerinnen, alle Beteiligten und ELAN (Eltern schulen aktive Eltern) – die diese Veranstaltung sehr großzügig unterstützt haben - beenden er und Frau Bickel die aus unserer Sicht sehr erfolgreiche Veranstaltung.
Während der gesamten Veranstaltung konnten sich die Besucher auf dem „Markt der Möglichkeiten“ über Projekte und Institutionen informieren, die sich mit dem Thema Inklusion bereits beschäftigt haben.
An dieser Stelle ein herzliches Dank an die Mitwirkenden und Dank auch für das ausgiebige Informationsmaterial.
elan (Eltern schulen aktive Eltern) engagiert sich die sich für die Ausbildung unserer Eltern und trägt damit bei nicht nur zu Wissen bei, sondern auch zur Integration.
Die Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung setzt sich für die Teilhabe von Menschen mit einer geistigen Behinderung und ihrer Familien in unserer Gesellschaft ein. Sie bieten Bildungsangebote, Frühförderungen und vieles mehr. Die Lebenshilfe bietet eine "Seminarreihe Inklusion"zu Sichtweisen und Wege in der Praxis an.
Der elternbund hessen – ebh ist ein Zusammenschluss von Eltern, die sich für eine kindgerechte, demokratische und zukunftsfähige Erziehung in allen pädagogischen Einrichtungen einsetzen. Auf der Webseite des ebh finden Eltern viele interessante Themen, Hilfen und das ebh-Elterntelefon.
Der Sozialverband VdK Hessen Thüringen hilft bereits seit mehr als 60 Jahren behinderten, älteren und sozial schwachen Menschen. Sie beraten und vertreten, wenn es darum geht soziale Ansprüche geltend zu machen.
Die Deutsche Gesellschaft für Sprachheilpädagogik e. V. (dgs). Sie sieht eine wesentliche Aufgabe darin, die Situation der Betroffenen öffentlich zu artikulieren, um das Problembewusstsein zu schärfen und die gesellschaftlichen Voraussetzungen für die notwendige Unterstützung zu schaffen.
Die Elterninitiative des MTK hat sich zum Ziel gesetzt, dass alle Kinder mit Handicap ein Platz im gemeinsamen Unterricht –wohnortnah- finden. Die Elterninitiative wird hierbei unterstützt vom Kreiselternbeirat MTK.
Der Verband der Blinden- und Sehbehindertenpädagogen und –pädagoginnen e. V. (VBS) ist Fachverband für die Bildung und Erziehung blinder und sehbehinderter Menschen. Er setzt sich für die Förderung, Erziehung und Bildung aller Kinder, Jugendlicher und Erwachsener ein, deren Leben und Lernen durch eine Sehbehinderung oder Blindheit beeinflusst.
Die Arbeit des Verbandes der Sonderpädagogik e. V. (vds) beinhaltet alle Aspekte der pädagogischen Förderung behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen. Der Verband fordert in seiner Position zur inklusiven Bildung, das sich alle Bildungseinrichtungen den vielfältigen und individuellen Bedarfen der Menschen anpassen muss.
Die BEBSK – Bundesvereinigung der Eltern blinder und sehbehinderter Kinder e.V.unterstützen und helfen Familien bei der Bewältigung des Alltags mir ihrem Kind. Sie bieten Seminarwochenenden und Fachvorträge sowie Hilfestellung im Umgang mit Behörden und Entscheidungsträgern.
Bund der Freien Waldorfschulen – Landesarbeitsgemeinschaft Freie Waldorfschulen in Hessen
Die Waldorfeinrichtungen fühlen sich der durchgängigen Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen verpflichtet. Die unterschiedlichen körperlichen, seelischen und geistigen Potentiale der verschiedenen Menschen gelten grundsätzlich als gleichwertig. Daher werden in den Waldorfschulen alle Schülerinnen und Schüler eines Altersjahrgangs gemeinsam in allen Fächern unterrichtet. Auf eine Einteilung von Lerngruppen nach Leistung wird verzichtet.
Klasse2000 ist das bundesweit größte Programm zur Gesundheitsförderung, Sucht- und Gewaltvorbeugung in der Grundschule. Es begleitet Kinder von der ersten bis zur vierten Klasse, um ihre Gesundheits- und Lebenskompetenzen frühzeitig und kontinuierlich zu stärken. Klasse 2000 bietet Unterrichtsprogramme und –materialien für Lehrer, die alters- und lerndifferenziert aufgebaut sind. Klasse 2000 bietet das Gefühle-Buch, das Sportstudio für die Hosentasche und vieles mehr.
Der Bundesverband der Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) vertritt die Belange von Menschen, die an Multipler Sklerose (MS) erkrankt sind und organisiert deren sozialmedizinische Nachsorge. Schwerpunkt der DMSG ist die persönliche Beratung in privaten, beruflichen, rechtlichen und medizinischen Fragen.
Herzlichen Dank auch an alle, die wir hier eventuell vergessen haben zu erwähnen.
Die Veranstaltung hat uns gezeigt, dass die Sorgen und Ängste der Eltern zwar verständlich sind, aber nicht notwendig. Inklusion geht uns alle an und alle profitieren.
Die vielen positiven Rückmeldungen bestätigen, dass es notwendig war über Inklusion zu reden. Sie bestätigen uns auch, dass jetzt nicht mehr geredet, sondern angepackt werden muss! Inklusion ist ein Menschenrecht und wir müssen es einfordern!
Wir Eltern müssen jetzt hartnäckig bleiben und mit dafür sorgen, dass man über Inklusion nicht mehr reden muss!
Wir nehmen die Botschaft von Prof. Dr. von Saldern gern mit nach Hause:
Wenn wir aufhören unsere Mitmenschen zu sondieren – müssen wir niemanden inkludieren!
Bis dahin ist es noch ein weiter Weg – lassen Sie ihn uns gemeinsam gehen! (TLi)
Herzlichst
Ihr Landeselternbeirat von Hessen